Erschienen am 28. August 2022 im Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung
Von Susanne van Veenendaal
Bremerhaven. Wenn es schön heiß und schweflig ist, dann fühlt sich die Rotalge Galdieria sulphuraria wohl. Daher findet man sie oft in der Nähe von Vulkanquellen. Allerdings hat sie auch ein Zuhause in Bremerhaven gefunden. An der Hochschule setzt man große Hoffnungen in die Pflanze. Sie könnte dabei helfen, Zellen zu ernähren.
Nahrungsmittelindustrie will Zellforschung nutzen
Zellen ernähren? Sorgt normalerweise nicht der jeweilige Körper dafür, dass seine kleinen Bausteine gut versorgt werden? So ist es - allerdings nur, wenn sich die Zelle auch in einem Körper befindet. Manchmal ist es allerdings nötig, dass die Zellen in einem Labor wachsen. Für medizinische Zwecke beispielsweise wird die Zell- und Gewebeforschung schon lange angewendet. Doch immer stärker interessiert sich auch die Nahrungsmittelindustrie für diese Prozedur. Es gibt mittlerweile viele Start-ups, die auf diese Weise nämlich Fleisch produzieren und dadurch der herkömmlichen Tierhaltung adieu sagen wollen.
Schattenseite der Zellforschung: Kälberserum
Doch egal, ob Medizin oder Lebensmittelbranche: Beide werden mit einer Schattenseite der Zellkulturen konfrontiert: Es ist der Einsatz von Fetalem Kälberserum. „Zellen wachsen am liebsten in ihrem eigenen Saft“, erläutert Prof. Dr. Imke Lang. „Je ähnlicher das Nährmedium den natürlichen Bedingungen im Körper ist, desto erfolgreicher ist die Zellkultur“, sagt die Biologin von der Hochschule. Daher werde häufig auf körpereigene Flüssigkeiten zurückgegriffen. Eine von ihnen ist besagtes Fetales Kälberserum. Es wird den Kälbern noch im Mutterleib aus dem schlagenden Herzen entnommen, nachdem das Muttertier bereits geschlachtet wurde. Dies sei nicht nur ein ethisch fragwürdiges Unterfangen, es sei auch teuer. „Ein Liter kostet bis zu 300 Euro. Das Serum kommt meist aus Amerika“, berichtet Lang. Die Qualität der Chargen sei zudem wechselhaft.
Rotalge könnte Kälberserum ersetzen
All dies sind Gründe dafür, dass die Rotalge ein alternativer Bestandteil des Nährmediums für Zellen sein könnte. Ob Galdieria sulphuraria diesem Job gewachsen ist, das versucht ein Hochschul-Team gerade herauszufinden. Das Projekt trägt den Namen „Serazel“. Es ist die Abkürzung von „Serumfreie Zellkulturtechnik mit algenbasierten Additiven“. Außer Imke Lang sind auch Chemie-Professorin Dr. Felicitas Berger und Dr. Axel Gottschalk, Professor für Thermische Verfahrenstechnik und Energieumwandlung mit im Boot. Hanna Eisenberg betreut das Projekt, mehrere Studenten sind ebenfalls involviert. Gefördert wird das Ganze vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Projektträger Jülich. Ein Jahr lang hat sich das Hochschul-Team nun das Potenzial der Rotalge angeschaut. Die Ergebnisse seien erfolgversprechend, meint Lang: „Die Zellen reagieren ganz gut auf die Alge.“ Wenn alles klappt, könne bald die nächste Projektphase - eine Machbarkeitsstudie von drei Jahren - beantragt werden.
Rotalge Galdieria sulphuraria:
Die Rotalge Galdieria sulphuraria ist hart im Nehmen: Sie verträgt hohe Temperaturen ebenso wie niedrige ph-Werte. Viele Algen seien da viel empfindlicher, weiß Prof. Dr. Imke Lang. „Das Besondere an Rotalgen ist, dass sie auf Zuckerquellen wachsen. Man könnte beispielsweise Überreste aus der Lebensmittelproduktion nutzen, um die Algen zu kultivieren. Das wäre ein zusätzlicher Nachhaltigkeitsaspekt.“
Warum genau sich die Alge für die Nährlösung eignen könnte, liest Du hier.
Prof. Dr. Imke Lang
Professorin für Marine Biotechnologie
ilang@hs-bremerhaven.de
Hochschule Bremerhaven
An der Karlstadt 8
27568 Bremerhaven
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Susanne van Veenendaal
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